Tierschutzhunde: Die erste Zeit

Oftmals klappt die Eingewöhnung mit einem Hund aus dem (Auslands-)Tierschutz problemlos. Manchmal ist der Start aber schwierig und Hund und Menschen mit der neuen Situation überfordert. Und das ist kein Wunder, denn ein Hund, der bislang nichts kennengelernt hat, außer den kahlen Zwingerwänden eines Shelters, begegnet dem Berliner Großstadtalltag entsprechend furchtsam. Als Mensch möchte man es seinem neuen Familienmitglied möglichst gemütlich machen, mehrere Decken dort, ganz viel Aufmerksamkeit hier, endlos viele neue Erfahrungen und Bekanntschaften überall. Dass das häufig zu viel des Guten ist, stellt sich erst nach einiger Zeit heraus. Da können sich schon mal Verhaltensweisen einstellen, die man sich als Mensch so vorher nicht ausmalen wollte.

Dazu kommt, dass es für Tierschutzvereine häufig schwer vorhersehbar ist, wie sich der Hund im neuen Umfeld entwickeln wird. Gleichwohl wäre es wünschenswert, dass die Organisationen ihre Bemühungen erhöhen, die Hunde realistisch zu beschreiben, neue Halter*innen auf eventuell auftretende Themen hinweisen und bei Problemen beratend zur Seite stehen. Die Realität sieht manchmal anders aus. Meine Erfahrung dazu ist, dass sich Hunde aus dem Tierschutz im neuen Zuhause meist ganz schön weiterentwickeln. Da macht der Hund nach einigen Wochen einen Sprung, nach mehreren Monaten einen weiteren und nach 1,5 Jahren erinnert man sich rückblickend und stellt fest, dass man den eigenen Hund im Vergleich zur Anfangszeit nun ganz anders wahrnimmt.  Das ist ein wahnsinnig spannender Prozess!



Ruhe, klare Regeln und Strukturen

Aber zurück zur Eingewöhnungszeit. Was ein Hund im neuen Zuhause am dringendsten braucht, ist Ruhe, Stabilität, klare Regeln und ein Umfeld, welches ihm Orientierung bietet. Dabei ist weniger oft mehr. Weniger Hunde- und Menschenbegegnungen, mehr zur Ruhe kommen.

Ruhedefizite bringen stressbedingte Gereiztheit und erhöhen Unsicherheiten. Vor allem Hunde aus dem Ausland, werden hier mit einer Vielzahl neuer und unbekannter Reize konfrontiert. Alles ist aufregend und neu, vieles ist anstrengend und stressfördernd. Der Anspruch, dem neuen Hund nun möglichst viel Abwechslung bieten zu wollen, ist in der Anfangszeit meist eher kontraproduktiv. Gerade für unsichere und ängstliche Hunde ist es häufig hilfreich, ihnen das neue Heim Stück für Stück vorzustellen. Eine langsame und schrittweise Gewöhnung ist nun das A und O. Gleichzeitig kann das neue Familienmitglied schonmal lernen, dass es vollkommen okay ist, auch mal entspannt auf seinem Platz liegen zu bleiben, wenn man sich als Mensch in ein anderes Zimmer bewegt. Schwimmt euch ein bisschen frei, macht euch nicht zu viele Sorgen um den Neuankömmling und behaltet eure Bedürfnisse dabei auch ein bisschen im Blick. Sich nur noch um den neuen Hund zu kümmern, hilft ihm manchmal gar nicht so sehr, wie erhofft.

Kinder und Hunde

  • Kinder und Hunde sollten nicht miteinander alleine sein.

  • Kinder können dem Hund versehentlich weh tun, ihn vielleicht etwas zu sehr ärgern, unbewusst in die Nähe seines Futters kommen oder ihn anderweitig bedrängen, sodass die Grenze der Toleranz des Hundes überschritten werden kann. Seid achtsam, es ist die Aufgabe der Erwachsenen, solche Situationen zu verhindern und Hund und Kind angemessenen Schutz zu bieten.

  • Einführung eines Ruheplatzes, an dem der Hund auf gar keinen Fall gestört werden darf. Ggf. eignet sich sogar die Abtrennung eines Zimmerabschnittes, in den sich der Hund zurückziehen kann. Gerade Welpen und Hunde, die neu im Zuhause angekommen sind, haben ein großes Ruhebedürfnis.

  • Regeln einführen: Der Hund darf nicht gestört werden, wenn er schläft, frisst, mit seinem Kauknochen oder Spielzeug beschäftigt ist.

Tierschutzhund Adoption Beratung Auslandshund.jpg

Grenzen setzen

Hunde, die in der Vergangenheit traumatische Erfahrungen machen mussten oder im neuen Umfeld besonders verängstigt oder unsicher reagieren, erregen häufig großes Mitleid bei ihren Menschen. Mitgefühl und Verständnis sind zwar wichtig, Mitleid nimmt dem Hund aber oftmals die Chance, sich weiterzuentwickeln. Der Hund hat ein warmes Körbchen, genügend zu essen und liebevolle Menschen – also darf man ruhig positiv in die Zukunft schauen. Und dabei ist es sehr wohl erlaubt, dem neuen Hund die ersten Regeln und Grenzen aufzuzeigen, auch wenn der Start ins Leben womöglich unschön war. Wenn ihr nicht möchtet, dass der Hund bestimmte Zimmer betritt oder nach einem Regenspaziergang aufs Sofa hüpft, dann tabuisiert ihr die entsprechenden Bereiche.  Solche Regeln aus Mitleid nicht auszusprechen, hilft eurem zukünftigen Zusammenleben wenig. Gebt eurem Hund stattdessen Halt und nehmt ihm einige Entscheidungen ab, damit es ihm leichter fällt, sich in der neuen Situation zurechtzufinden.

Absicherung

Die ersten Wochen sollte der Hund in jedem Fall nur angeleint spazieren geführt werden. Häufig eignet sich ein Sicherheitsgeschirr, aus dem sich der Hund nicht herausdrehen kann, wie es manchmal in Schrecksituationen der Fall ist. Seid achtsam beim Öffnen der Auto- oder Wohnungstür – Hund vorher sichern, dann die Tür öffnen. Und auch da kann man bereits erste Regeln etablieren: Wenn der Hund sofort lernt, beim Aussteigen erst auf das Signal des Menschen zu warten, verhindert das ggf. die ein oder andere gefährliche Situation in der Zukunft.

Die Leine ist außerdem hilfreich, um den Hund im Umgang mit Joggern, Fahrrädern und Autos beobachten und ggf. rechtzeitig eingreifen zu können. Und selbst wenn all das absolut entspannt klappt, kleinschrittiges Training an der (Schlepp)leine lohnt sich für den zukünftigen Freilauf sehr. Denn was in der Nähe nicht klappt, klappt auch nicht auf große Distanz.

Falls ihr Fragen habt oder weitere Unterstützung benötigt, dürft ihr euch gerne bei mir melden.

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